Album-RezensionMusik

Spectra Paris – Retromachine Betty

Ich hatte zwar schon lange auf eine neue Veröffentlichung von Elena Fossis Projekt SPECTRA*paris gewartet. Das die letzte, doch eher mittelmäßige Scheibe ‚Christmas Ghouls‘ allerdings schon sieben Jahre auf dem Buckel hat, hätte ich  nicht gedacht.

Auch ‚Retro Machine Betty‘ setzt wieder auf einen eigenen Schwerpunkt. Als Motto hält diesmal der Elektropop der frühen Achtziger her, als die Musik oft unbeschwert und leichtgängig den Hörer umschmeichelte. Hier wird nicht auf fette Beats gesetzt, und es werden keine dissonanten Klänge eingewoben. Die Stücke klingen eher naiv und verspielt. Beim ersten Durchhören dachte ich an einen schlechten Scherz und wartete auf einen Umbruch, der sich irgendwann einstellen würde. So einen Kitsch kann doch niemand ernst meinen. Mittlerweile habe ich ‚Retromachine Betty‘ ein paar Male gehört und meine Meinung hat sich geändert. Die simpel anmutenden Melodien machen Spaß und die Synthies mit ihrem analogen Touch wecken Erinnerungen an so manchen schönen Songs von vor mehr als 30 Jahren, als elektronische Musik noch keinen Bombast benötigte.

‚Ludovico Technique‘ erinnert in seiner Melodik noch am ehesten an die Highlights von Spectra Paris der Anfangstage, ‚Star Bubbles‘ könnte der Soundtrack zu einer Science Fiction-Zeichentrickserie für Kinder sein (sehr schön wird hier eine Sequenz von Mike Oldfields ‚Moonlight Shadow‘ eingebaut).

Einen 80er-Discoflair (und ein paar Brocken Deutsch) bringt ‚Alice (Geistersterne)‘ mit. ‚Machinedream‘ singt Fossi in ihrer Muttersprache und ist ein ruhigerer und träumerischer Vertreter. Überhaupt: Je häufiger man die Stücke hört, desto mehr erkennt man aufs Neue, das die Kirlian Camera eine faszinierende Stimme besitzt.

Mit ‚You Really Got Me Going‘ wagt sie sich dann außerdem noch an einen Kinks-Klassiker der Sechziger. Den Song hatte ich schon fast vergessen. Besonders die Einlage einer elektronische Variante der singenden Säge ist lustig.

Insgesamt macht ‚Retromachine Betty‘ seinem Namen alle Ehre, und um das Feeling vergangener musikalischer Zeit so richtig rund zu machen, hat man das Album von keinem geringeren als John Fryer produzieren lassen, der bereits Fad Gadget und X-Mal Deutschland und etliche andere zu wahrer Größe abgemischt hatte.

Das Album gehört sicherlich nicht zu den Meilensteinen des Jahres, aber es fühlt sich geschmeidig und angenehm an. Scheinbar haben auch Rossi und ihre Kollegen Spaß gehabt und konnten sich im Gegensatz zum bedeutungsschwangeren Hauptprojekt hier einmal unbekümmert und mit ein wenig Augenzwinkern anderer Musik widmen.

Wenn ich könnte, würde ich allerdings dem Cover noch einen Preis für das kitschigste des Jahres geben, und das bereits jetzt im Juni. (3/5 • 90%)

SPECTRA*paris
Bandcamp

 

Schreibe einen Kommentar

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen