Album-RezensionMusik

Ladytron – Ladytron

Da brennt der Wald – Das erste Album seit 2011

Je länger eine Band nichts von sich hören lässt, desto höher wird die Erwartung, das die nächste Scheibe das große Ding sein wird. Wenn es sich dazu noch um kultige Formationen handelt, die in der Vergangenheit mit allerlei Lorbeeren überschüttet wurden, und das erste Album nach acht Jahren dann auch noch mit einer langen Crowfunding-Kampagne herbeigeführt wird, ähnelt das in den sozialen Medien einer heiligen Wiederauferstehung. Um erst gar nicht auf dieses Niveau einzusteigen und die Kirche buchstäblich im Dorf zu lassen, möchte ich gleich einmal vorweg zwei Dinge zu bedenken geben:
Keines der fünf bisherigen Alben der Briten war wirklich durchgängig gut. Immer wieder gab es Füller, die man aufgrund ihres schrägen und offenbar wenig zu Ende gedachten Songwritings schnell übersprungen hatte. Besonders der Erstling ‚604‘ ist dahingehend zu experimentell und im Nachgang auch nicht gut gealtert.
‚Gravity The Seducer‘, das letzte Album von 2011 ist gähnend langweilig gewesen, eine spirituelle Irrfahrt.

Wenn man nun also einen geerdeten Blick auf das selbstbetitelte Werk der Band wirft, erkennt man schnell, warum man Daniel Hunt, Reuben Wu, Helen Marnie und Mira Aroyo vermisst hat (und warum man trotzdem nichts verpasst hat).
Spätestens seit den beiden Marnie-Soloscheiben Crystal World (2013) und Strange Words And Weird Wars war klar, das Ladytron nie wieder so klingen werden, wie sie einmal klangen. Für Marnie konnte es gesangtechnisch kein zurück in das enge Korsett der Band geben. Und natürlich kam es zu dem Kompromiss, den man befürchten musste. ‚The Island‘ ist ein typischer Marnie-Popsong und verwässert die typische Ladytron-Klarheit zu einem geschmacklosen und farblosen Brei. Auch ‚Tomorrow Is Another Day‘ hätte die Schottin lieber auch ihrem Longplayer untergebracht, obwohl dieser in Anlehnung an ihren Song ‚Sugarland‘ gar nicht mal schlecht ist.

Mit ‚The Animals‘ als Teaser befeuerte man im letzten Jahr die hohen Erwartungen. Griffige Melodie, Retro Minimal-Charme und der Remix von Vince Clarke war die Wucht.
Auch mit ‚Tower Of Glass‘ fühlt man sich gleich wie bei den Ladytrons zu Hause. Das Stück ist luftig leicht und träumerisch und mit einer angenehmen Bassline versehen. ‚Figurine‘ setzt hingegen wieder mehr auf alten Sequenzer-Sound und bewegt sich ebenfalls im mittleren Tempobereich. Bei beiden Songs setzt Marnie auf ihren neuen Popgesang, lässt aber dem Bandspirit genug Raum zum Atmen. Wer gerne wieder einmal die Rhythmusmaschine von ‚Seventeen‘ hören mag, dem sei ‚Far From Home‘ angeraten.
Mit ‚You’ve Changed‘ hat es einen ordentlichen Dance-Stampfer an Bord, der durchaus eine Portion Durchschlagskraft hat, und wer es funky (und darky) mag, dem sei ‚Deadline‘ empfohlen.
‚Paper Highways‘ ist der Song mit der poppigsten Melodie und wird von Mira zum Besten gegeben. Fast zwangsläufig steht dem ein obskures Songwriting, um den Refrain herum, entgegen. Klingt, als wären zwei Songs zusammengeschustert worden. Toppen kann das nur noch ‚Horrorscope‘, ebenfalls mit Mira als Protagonistin. Völlig überflüssig. Nehmt die Frau doch endlich mal beiseite und schreibt ihr ein ordentliches Stück auf den Leib, sie hat es verdient.
Ladytron wollen auf diesem Album etwas zu viel von allem und das mit zu großer Instrumentendichte. Symptomatisch ist der Opener ‚Until The Fire‘. Der Song stranguliert sich selbst mit immer mehr Schichten Elektronik, die sich über den Gesang legen.

Im Sound ertrinken auch viele gute andere Ansätze, und es schmerzt mitunter im wahrsten physischen Sinne, das alle Elemente inklusive des Gesangs den gleichen Lautstärkepegel haben. Das man Ladytron tatsächlich vorwerfen muss, das mit weniger mehr erreicht hätten, ist, wenn man ihren Werdegang bedenkt, eine große Ironie.
Wer sich die Rosinen herauspickt kann man diesem Album leben. Nicht umsonst ist die Compilation ‚Best of 00-10‘ der Band ihr bestes Album. Der Titel sagt alles. Für eine weitere Zusammenstellung dieser Art wird aber mindestens ein weiteres Jahrzehnt vergehen müssen. Hoffen wir derweil auf ein paar ordentlich Remixe, denn die waren in der Vergangenheit auch immer wieder herausragend. (3/5 • 76%)

Ladytron

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