Album-RezensionMusik

Laibach – The Sound Of Music

Was haben Laibach nicht schon alles in den Fokus genommen und mit ihren Werken auf provokante Weise zur Diskussion gestellt. Kulturen, Weltbilder, Religionen, politische Machtverhältnisse und die deutsche Wiedervereinigung waren Ziele ihrer zum Teil sehr kontroversen Werke.
Aber auch die Pop- und Hochkultur wurde vom slowenischen Künstlerkombinat veredelt. Ich denke da an das ‚Let It Be‚-Beatles Coveralbum von 1988, ‚Die Kunst der Fuge‚ zum Bach-Jahr oder ‚Also sprach Zarathustra‚ in Gedenken an Nietzsche.
Nun also tauchten Sie ab in die Welt des Musical und wählten mit ‚The Sound Of Music‘ eines der kitschigsten, und dennoch weltweit erfolgreichsten, aus. Warum?

Wer wirft den ersten Stein?

The Sound of Music ist in seiner ursprünglichen Form dermaßen überzeichnet, das es selbst in Österreich, in dem die Geschichte der Familie Trapp spielt, lange verpönt war. Um genau dort die Finger in die Wunde zu legen, gibt es natürlich niemand besser geeigneten als Laibach, die es nicht selten mit ihrer Form der Überidentifizierung geschafft haben, ihr Publikum zu verwirren und zu provozieren, aber immer wieder auch zum Nachdenken zu bringen. Brückenschlagend kommt für die Slowenen hinzu, das sich eben dieses Musical in Nordkorea, der letzten großen kommunistischen Diktatur, großer Beliebtheit erfreut. Das Klischee geordneter Familienverhältnisse und übertriebener Glückseligkeit gepaart mit einem pathetischen Heimatgedanken gefällt der Republik. Und so ließen es sich Laibach nicht nehmen, die Musik bei ihrem Auftritt in Pjöngjang 2015 zum Thema zu machen (der Film Liberation Day dokumentiert dies eindrucksvoll). Aber auch die Alpenrepublik ließe sich aufgrund vieler jüngerer Ereignissen dort in dieser Geschichte spiegeln. Dazu muss man den Blickwinkel der Stücke nur ein wenig anders ansetzen. Und auch das beherrschen Laibach per Excellence.
Stücke wie ‚The Lonely Goatherd‘ und ‚Sixteen Going On Seventeen‘ zum Beispiel werden in einen sexistischen Kontext gesetzt, der nur so lange abstrus erscheint, bis man sich die Filmversion von 1965 noch einmal ansieht.

Die Seichtigkeit des Totalen

Musikalisch hält man sich relativ nah an die Vorlagen. Wer die Originale kennt, sollte diese wieder erkennen. Textlich wurden Anpassungen und Ergänzungen gemacht. Milan Fras präsentiert gewohnt seine tiefe und grummelige Stimme, Boris Benko hält mit seine hellen Stimme die Stücke auf einer poppigeren Ebene. Da wirkt das folkloristische ‚The Sound Of Gayageum‘ mit seinen wilden Percussions schon fast nach Laibach-Retro. Der musikalische Mix zwischen Seichtheit und schweren Beats mag manchmal etwas willkürlich erscheinen, geht aber aufgrund von Thematik und Blickwinkel in Ordnung.
Aber wem halten Laibach nun den Spiegel vor die Augen? Den Nordkoreanern, weil sie ihre Propaganda gern im Stil der Trapp-Welt sehen? Oder der westlichen Welt, weil sie diese unterhaltende Form von Totalitarismus und Idealisierung toll findet? Man kann diese Thematik in viele Richtungen drehen und jedesmal bleibt ein schaler Geschmack, der zur Selbstreflexion taugt. Und agieren Laibach hier als Vermittler oder Aufklärer, oder sind sie selbst Teil der Maschinerie, die sich genau aus diesem Verlangen nach Ordnung speist? Wie immer wirft die Band auch diesmal mehr Fragen auf als sie beantwortet. Aber ist es nicht genau das, was wir jedesmal von ihnen erwarten?

Kann man das so lassen?

Musikalisch ist ‚The Sound Of Music‘ weder martialisch, kräftig oder opulent. Und auch die Anhänger der klassischen Seite wird dieses Album nicht ansprechen. Der offensichtliche Weg, ein beliebtes Musical auch musikalisch populär umzusetzen, mag Laibach-untypisch sein, ist aber gangbar, da das Thema insgesamt sehr spannend angedacht wurde und einigen gesellschaftlich politischen Sprengstoff bietet. Das scheint auch der nordkoreanische Funktionär erkannt zu haben, der sich auf ‚Welcome Speech‘ über die fürchterliche Musik und die Ansichten der Band auslässt. Im Gegensatz zum Publikum in Pjöngjang dürfen wir alle Stücke hören und sollten dies auch nutzen. Was wir damit anfangen, bleibt uns überlassen. Und auch das ist ein Umstand, den wir schätzen sollten. (4/5 • 100%)

Laibach

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