Album-RezensionMusik

Lederman De Meyer – Eleven Grinding Songs

Eigentlich ist es überflüssig, viele Worte über die beiden Akteure zu verlieren. Für alle diejenigen, die den Beginn der EBM-und alternativen elektronischen New Wave-Bewegung der Achtziger nicht mitverfolgt haben, hier nur ein paar Stationen, der Männer, die diese Musik maßgeblich mutgeprägt haben:
Jean-Marc Lederman ist Produzent und Keyboarder, war Mitglied von The Weathermen (‚Poison’) und Kid Montana, und war unter anderem beteiligt an den Produktionen von The The, Fad Gadget, und Gene Loves Jezebel. Er trat aber auch oft im Zusammenspiel anderer Künstler unter seinem eigenen Namen in Erscheinung und veröffentlichte 2015 als Jean-Marc Lederman Experience ein wundervolles Album namens ‚The Last Broadcast On Earth‘, auf dem, neben vielen anderen auch Ghost & Writer, Julianne Regan und Anna Domino zu hören sind.
Jean Luc De Meyer ist die Stimme des EBM schlechthin. Von Underviewer stieß er zu Front 242 und verlieh diesen, zusammen mit Richard 23 die charakteristischen Vocals. Anschließend war er mit verschiedenen Projekten wie Cobalt 60, C-Tec, oder 32Crash (mit den Kollegen von Implant) unterwegs und gastierte darüber hinaus auf unzähligen Stücken anderer Electrogrößen und auch unbekannteren Acts.
Natürlich stammen beide aus Belgien, der Wiege des guten und ursprünglichen EBM’s.
Das sich diese beiden Urgesteine nicht schon früher zu einem Projekt zusammengerauft haben, ist fast schon skurril, denn sie kennen sich bereits aus frühen Front 242-Zeiten. Entsprechend gespannt war ich natürlich, als ich von diesem Projekt erfuhr. Wie würde diese Zusammenarbeit wohl klingen?
Man muss gar nicht tief in das Album einsteigen um zu erkennen, das Lederman und De Meyer die Musik nicht neu erfinden. Es ist vielmehr eine Reise in die ureigenen Klänge des Genre, das beide mit erfanden. Entscheidend dabei ist allerdings zu sagen, das sie vermeiden, in die Retro-Falle zu tapsen. Die Tracks klingen, wie der Titels ankündigt: schleifend und reibend, ohne unnötige Brachial-und Bombasteffekte. Sofort beim Opener ‚Atoms In Fury‘ wird klar, das Lederman ein Meister einer filigranen und vielschichtigen Produktion ist. Ein kleiner und subtiler Einsatz von Sounds die dennoch eine große Wirkung entfalten, das ist sein Metier. Unheilvoll und spannend streift dieser Song am Ohr vorbei. De Meyer klingt dabei klar und ist stark in den Vordergrund gemischt. Das dieses Vorgehen immer die Gefahr birgt, das dessen bisweilen etwas obskures Englisch nicht kaschiert wird, ist dabei nicht weiter schlimm, denn daran dürfte mittlerweile gewöhnt sein. In dem Stampfer ‚Tout Me Fait Rire‘ darf er dafür mal in die Sprache wechseln, die ihm von Natur aus besser liegt. ‚In Flowers And Birds And Bees‘ philosophiert er dann gar in amüsanter und holprige Weise, das immer irgendwelche Dinge von seinen Liedern erwartet werden, die er nur schwer erfüllen kann. Humor in EBM-Songs ist natürlich eine Seltenheit und ruft eher Kritik unter den Puristen hervor. Aber auch das musste De Meyer schon öfter aushalten und sollte mittlerweile darüber stehen.
‚Eleven Grinding Songs‘ ist kein Tanzalbum. Auch wenn sich hier Songs mit erhöhter Drehzahl tummeln (‚I Wish We Could I Hope We Will‘, ‚A Tribe Of My Own‘), so versteht es Lederman diese immer wieder mit äußerst klugen orchestralen, klirrenden oder anderen Effekten zu konterkarieren. Die Mischung ist beeindruckend. Die beiden interpretieren schnelle und langsame, dramatische und entspannte Stücke (‚Not Really There‘ ist eine wunderbare Ballade), die dabei immer mit bekannten Versatzstücken arbeiten, aber dennoch neu und frisch klingen. Und weil keine wirklichen Ohrwürmer auszumachen sind (‚A Tribe Of My Own‘ ist allerdings schon sehr markant), packten die Belgier kurzerhand noch Coverversionen drauf. Zum einen das, bereits von Steve Albinis Big Black neu aufgelegte ‚Heartbeat‘ von Wire (1979), das hier erneut seine Intensität unter Beweis stellt und in dieser elektronischen Variante sehr hörenswert ist.
Und zum anderen gibt es einen Klassiker von Fad Gagdet auf die Ohren. ‚Back To Nature‘ (ebenfalls 1979) hält sich instrumental ganz nah am Original und De Meyer intoniert den Text so eindrucksvoll näselnd und energisch, das man den guten Frank Tovey förmlich spüren kann. Man hört dem Titel an, das sich beide sehr viel Mühe damit gemacht haben. Eine wahre Hommage an Tovey. Der hätte an dieser druckvollen Produktion sicher seine Freude gehabt.
Wer im Besitz der Deluxe Edition ist, bekommt zusätzliche 11 Titel. Fünf davon sind weitere neue Stücke, die aber im Vergleich zu CD 1 qualitativ abfallen, ohne dabei gänzlich schlecht zu sein. Von den drei Remixen zu ‚A Tribe Of My Own‘ kann eigentlich nur der von Sebastian Komor überzeugen, welcher wie erwartet den Song mit seinem gewohnten Hau-Drauf Hammer bearbeitet hat. Aber auch der Peter Rainman vs. JML Remix von ‚Back of Nature‘ ist auf seine heruntergebrochene Ambiant-Art eine interessante Variante.
Somit ist ‚Eleven Grindig Songs‘ eine Symbiose aus klassische EBM-Bausteinen, angerührt mit zeitgemäßem Mörtel. Die Fassade weckt damit nostalgische Erinnerungen, aber der Baustoff ist modern und hat viele spannende Eigenschaften, die es zu entdecken und genießen gibt. (4/5 • 86%)

Lederman De Meyer

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