Album-RezensionMusik

The Raveonettes – Atomized

Sammelalben kennt jeder: Man kauft ein leeres Album und versucht, die vorgegebenen Inhalte (Karten oder Aufkleber), für meist teures Geld, zu ergattern. Im Grunde genommen, ist ‚Atomized‘ auch ein Sammelalbum, wenn auch mit einer anderen Logik. Die Songs konnte man bereits vorher einsammeln. Die Raveonettes veröffentlichten 2016 in jedem Monat einen einzelnen Song über die bekannten Portale und Musikdienste. Damit waren sie zwar nicht so produktiv wie They Might Be Giants, die ein Jahr zuvor jede Woche einen Song hervorquälten (dies aber auch nur ein halbes Jahr durchhielten), qualitativ aber liegen sie ihnen aber deutlich voraus. Nun sind die Einzelsongs auf einem Longplayer zusammengeflossen, und schwupp- fertig ist das Sammelalbum.

Die Raveonettes hätten es schon längst einmal verdient, hier besprochen zu werden, sorgten sie doch bereits seit 2003 mit ihren Alben immer wieder für einen erfrischenden Sound, der sich zwischen Garage Rock, Shoegaze und elektronischem Pop bewegt.

Und auch auf ‚Atomized‘ spielt das dänische Duo wieder mit allerlei Musikstilen und Sounds. Ein elektronisches Fundament bildet die Basis aller Songs, das dann gerne mit Gitarrenwänden flankiert wird, mal unaufdringlich, mal meterhoch. Dazu kommen Gitarrenklänge im Klaren Twang-Stil, die mit ihrem Retrocharme an die Sechziger Jahre erinnern. Sharin Foo bildet dazu mit ihrem oft süßlichen Gesang die perfekte Abrundung. Nur selten ziehen sich Songs komplett ohne Bruch vom Anfang bis zum Ende durch. ‚This World Is Empty (Without You)‘ bildet da fast schon eine Ausnahme. Gerne klappen die Stücke irgendwann mittendrin einmal weg, um dann mit Sprechgesang, Noiseversatzstücke oder elektronischer Spielereien aller Art unterbrochen zu werden. Scheint ähnlich wie im Leben zu sein; wenn man denkt, alles läuft wie geplant, dann tritt etwas unvorhergesehenes ein. Das muss aber nicht schlimm sein, denn Vorhersehbarkeit ist gerade in der Musik nicht immer von Vorteil und vermeintliche Überraschungen garantieren das Dranbleiben. ‚Excuses‘ ist dabei ein Paradebeispiel, wie man mit verschiedenen Rhythmen und Geschwindigkeiten spielen und trotzdem aus einem Guss klingen kann. Und dann sind da natürlich noch die Verzerrungen: Geschickt werden diese in verschiedenen Härtegraden immer wieder auf Instrumente und Gesang eingesetzt. Mein absolutes Lieblingsstück auf ‚Atomized‘ ist ‚Junko Ozawa‘ wegen seiner luftigen Melodie, den Surfgitarren und dem besagten Verzerrungen. Sune Rose Wagner ist ein hervorragender Musiker und Produzent seiner Band. Die Vielfältigkeit der Stücke ist großartig, ohne das man die typische Handschrift der Raveonettes auch nur einen Moment verliert. Die Dänen sind trotz ihrer mittlerweilen doch ansehnlichen Karriere immer noch ein Geheimtipp. Auch wenn ich selbst noch mit vier Stücke fremdle (6-8), halte ich ‚Atomized‘ doch für eines der frischesten Alben der letzten 12 Monate. Ach ja, und noch etwas: Tatsächlich hatte ich die Stücke Monat für Monat in einem eigens dafür angelegten Album bzw. einer Playlist gesammelt. Zu Sammelalben kann eben niemand nein sagen. (4/5 • 66%)

The Raveonettes
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