Album-RezensionMusik

Implant – The Productive Citizen

Steigender Arbeitsdruck, immer kürzer werdende Abgabetermine und neue Last-Minute Aufgaben die zu bewältigen sind. Kommt bekannt vor? Dazu noch die allgegenwärtige Überwachung und Kontrolle. Im sich immer schneller drehenden Hamsterrad werden wir zum perfekten produktiven Bürger erzogen. Düsterer Blick, aber nicht weg zu diskutieren. Also ein perfektes Thema für einen belgische Band. Seit Erfindung von EBM scheinen die Musiker dieses Landes das Ticket für die musikalische Umsetzung zur scheinbar unausweichlichen Zukunft unserer Zivilisation in der Tasche zu haben.
Implant aka Len Lemeire bespielt die Szene bereits seit Anfang der Neunziger und gehört zum engen Zirkel um Front 242. So war es auch nicht verwunderlich, das sich Lemeire, der im Namen von Implant unzählige, mittlerweile klassische Remixe erschuf und aufgrund seiner Version von ‚Sleeper In Metropolis‘ über fünf Jahre als Liveband für Anne Clark unterwegs war, mit Jean Luc deMeyer das Projekt 32Crash aus der Taufe hob und den ursprünglich rockendenen EBM auf ein neues Fundament hob.

Das nun vorliegenden neunte Album des Belgiers in Zusammenarbeit mit seinem mittlerweile langjährigen Mitstreiter Jan D’Hooge (ebenfalls Teil von 32Crash) schlägt erneut in die erhoffte elektronische Kerbe. Auf ‚The Productive Citizen‘ findet sich jede Menge Qualität. Fesselnde Kompositionen mit perfekt sitzenden Samples dominieren die Scheibe, das Arrangement wandelt im Gegensatz zu den Vorgängern etwas auf rauheren und ursprünglicheren Pfaden, ohne in irgendeiner Form altbacken zu klingen. Zwar hört man gerne erneut Elemente die einem schon bei Front 242’s ‚Two In One‘ von 1983 (‚Biodigital Nightmare‘) über den Weg liefen, auch wenn es sich nur um Spurenelemente handelt, entscheidend ist aber was das Duo daraus macht. Und das lässt sich hören. Der Opener ‚Lord Knows I’ve Tried‘ kommt schon fast beiläufig mit einem 1a-Rhythmus um die Ecke, den man sich nicht entziehen kann. Lemeire verwebt hier Synthies und Beats optimal zusammen und der Gesang von Claus Larsen tut das seine.
‚C.C.C.P.C.C.T.V‘ ist ein absoluter Ohrwurm und ‚I’m In Control‘ fesselt aufgrund seiner unterkühlten und marschierenden Rhythmik. So geht das eben.
Mit ‚The Product‘ unternimmt man einen Ausflug in leicht industrial geprägte Gefilde. Auch abgeschwächte Dubstep und Technosounds lassen sich an einigen Stellen des Albums ausmachen. Ich möchte ‚The Productive Citizen‘ nicht als Hit by Hit-Record bezeichnen, dazu fallen einige Stücke doch etwas ab (besonders öde ist ausgerechnet das mit Samples der deutschen Tagesschau aufgesampelte ‚Jour Nucléaire‘). Aber das ist leicht zu verschmerzen, wenn man Textpassagen wie „I’ve gonna move my ship to india-ha-ha, I’m gonna wake up with malaria-ha-ha“ (‚Payroll Bonanza‘) hört und sich die beiden Belgier vor dem geistigen Auge in einem Pusteboot in See stechen sieht. Oder auch die Abrechnung mit unbeliebten Mitmenschen und dem Ausspruch „You’re not on the guest list cause you’re on the shit list“ (‚You Are Not‘) ist erfrischend und bestätigt das auch EBM’ler Spaß verstehen. 
Das Album ist nicht immer ganz homogen aber ich meine das sich die Entdeckung der Stücke lohnt. Dabei sollte es aber auch die komplette Version mit Remixen sein, denn wer gute remixt lässt auch gut remixen.

http://implant-music.be

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