KonzertMusik

They Might Be Giants @ Koko London 15.07.2011

Da die beiden Johns bereits seit 1982 ihr Unwesen treiben, war mit Spannung zu erwarten wer 2011 zur Hörerschaft gehören würde. Eine Stunde vor Beginn des Konzerts sammelte sich die Straße vor dem Koko dann langsam mit allerlei Gestalten, darunter die erwarteten Nerds mit Monsterkoteletten und chaotischen Frisuren, Leute im gepflegten Mittelalter, vor allem aber Menschen um die 20 Jahre, was mich dann doch etwas überraschte. Entweder wurde heftig in Papis CD-Regal gestöbert oder aber diese haben ihren Kinder sechs Jahre zuvor das Album ‘Here Come the ABCs’ verabreicht.
Nach einer Stunde braven Schlangestehens in Reih’ und Glied in der Sonne öffneten sich dann die Türen.

Ebenso spannend wie die Frage der Zuschauerzusammensetzung war die der Vorbandbesetzung. Hier griff man zielsicher ins Klo und brachte Treefight For Sunlight, eine Band, die mit monotonen und schwermütigen Popjaulern gehörig nervte und dessen Sänger offensichtlich beim Bonanza-Radfahren zu häufig auf die Stange gefallen war. Die Briten waren zwar irgendwie immer schon für so eine Art von Gedröhne masochistisch veranlagt, dennoch schien die große Mehrheit not impressed von der auch oft tonmäßig danebengreifende Band aus Dänemark. Da half dann auch Kate Bush-Cover ‘Wuthering Heights’ nicht mehr.
Zum Umbau füllte sich dann der Saal und man konnte erleben wie schnell der Platz in dem ausverkauften ehemaligen Theater mit 1.500 Leuten komprimert wurde und die Hitze anstieg. Auf der Bühne wurde ein großer Ventilator auf den Boden gestellt, der während des gesamten Konzerts den beiden Hauptakteuren einen kühlen Kopf bewahren und für wehendes Haar sorgen sollte.
Pünktlich um 19.00 Uhr betraten nach einem kurzen stampfenden Intro die fünf Männer die Bühne. Linnell in einem schwarzen T-Shirt, vorgeschnallten Akkordeon und zunächst scheinbar kaum gealtert und Flansburgh im Lacoste-Poloshirt (ebenfalls schwarz), Schurrbart, Hornbrille und leicht verrutschter, ungekämmter Frisur.
Verstärkt wurden die beiden von alten Weggefährten: Dan Miller, der bereits seit Ende der 90er bei der Band die Leadgitarre spielt, Bassist Danny Weinkauf, der ebenso lange dabei ist und wie Miller im Laufe der Jahre auch einige Songs der Giants geschrieben und mit eingesungen hat. Das Schlagzeug besetzte Marty Beller, der 2004 zu der Band gestoßen ist und sich ebenso bereits als Writer und Sänger eingebracht hat.
Wie bringt man also einen Halle voller Menschen von jetzt auf gleich zum Zappeln? Man spielt einen Klassiker. Und von denen haben die Jungs natürlich reichlich. ‘Put Your Hands In The Puppet Head’ setzte das Publikum sofort in Ekstase und das direkt hinterhergeschobene ‘Particle Man’ wurde von hunderten Kehlen lautstark mitgegröhlt. Gleich darauf wurde geklatscht, gestampft und gesprungen bis die Körper glühten, ‘Clap Your Hands’ (das einzige vom Album ‘NO!’) ließ niemanden still stehen. ‘Turn Around’ von ‘Apollo 18’ brachte dann etwas Entspannung.
Die beiden Protagonisten brachten einen absolut entspannten und souveränen Auftritt, der immer wieder mit ein paar kleinen Späßen über Politik (Presseskandal in England), der Lieferverzögerung des neuen Albums und das Leben im Allgemeinen aufgelockert wurde.
Vom Album zur Tour ‘Join Us’ gab es vier Stücke zu hören, das erste war ‘Never Knew Love’, das mit den Worten eingeleitet wurde, das man sich nicht grämen sollte es noch nicht zu kennen, da sie dies selbst fast auch nicht tun würden. Ebenfalls vier Stücke wurden vom wohl bekanntesten Album der Band ‘Flood’ von 1990 zum Besten gegeben..
Über eine Webcam, die im hinteren Bühnenbereich aufgestellt war wurde das Publikum dann auf einer riesigen Leinwand abgebildet, was zu erheblichen Jubel führte. Die Webcam wurde gedreht und plötzlich erschienen zwei freche, von Linnell und Flansburgh gespielte Sockenpuppen im Bild. Diese ließen sich dann erst einmal über alles mögliche aus und beim Publikum blieb vor Lachen kein Auge trocken (Heimspiel für englischsprachige, für alle anderen, oder vielleicht auch nur für mich, manchmal etwas zu schnell gesprochen) und intonierten dann ‘Shoehorn With Teeth’, bei dem Flansi mittendrin den Einsatz verpasste, und nach einigen Scherzen darüber den Song direkt an der gleichen Stelle weitersang.
Weitere musikalische Höhepunkte und die Gewinner des Abends waren ‘The Mesopotamians’, ‘Doctor Worm’ (führte erstaunlicherweise besonders bei der jüngsten Generation zu Ausrastern), ‘She’s An Angel’, und natürlich ‘Ana Ng’ und ‘Birdhouse In Your Soul’.
Für besondere Gänsehaut sorgte ‘Alphabet of Nations’ von ‘Here Comes The ABCs’, das um einige Länder erweitert wurde und erneut die Professionalität und Genialität der Band unter Beweis stellte.
Bei der Vorstellung der Mitglieder und nach dem Trommelsolo von Beller schoss eine Kanone eine Ladung Konfettiglanzpapierstreifen in die Menge, eine Aktion die jubelnd aufgenommen wurde, unwissend was noch folgen würde.
Mit ‘No One Knows My Plan’ (dem einzigen Song von ‘John Henry’) war dann erst einmal Schluss.
Nach erwartungsgemäß heftigen Einforderns einer Zugabe kehrten dann die Puppen mit dem schnulzigen ‘What is a Shooting Star?’ von ‘Here Comes Science’ zurück, zudem die riesige Discokugel im Dach des Saals aktiviert wurde. Das legendäre ‘Istanbul’ wurde von einem sagenhaften Gitarrensolo im Flamenco-Stil von Dan Miller eingeleitet und bei den Schlußakkorden folgte dann eine Konfettidusche aus einer anderen Dimension. Vor der Bühne wurde es dunkel und glitzernd, die Sicht betrug ca. 10 cm und nach gefühlten 5 Minuten war alles mit Schnipseln übersäen und durchzogen. Das Publikum war nun völlig aus dem Häuschen und die Band erschien nach kurzer Verschnaufpause zur zweiten Zugabe mit ‘You Probably Get That a Lot’ von ‘Join Us’ und dem herrlichen fragmentierten ‘Fingertips’, das zum Ende hin mit der sich immer wiederholenden Textzeile ‘Mysterious Whisper’ melancholische Gefühle aufkommen ließ, da sich das Konzert nun wohl wirklich enden sollte. Ein Einsehen hatten die Amerikaner dann aber doch noch und meldeten sich mit ‘Whistling in the Dark’ zu einer dritten Zugabe zurück.
Nach zwei Stunden, 29 Stücken und jede Menge Spaß war es dann aber doch vorbei und wenn mich jemand fragt was mir gefehlt hat würde ich sagen das man nicht mehr verlangen könnte. Aufgrund des riesigen Songsarchives müsste die Band tagelang spielen um alle Wünsche zu berücksichtigen.
Wer es dann aber doch unbedingt wissen wollen würde: ‘Older’, ‘The Statue Got Me High’, ‘See The Constellation’, ‘Man, It’s So Loud In Here’, ‘Why Does The Sun Shine’, ‘Number Three’, ‘Metal Detector’, ‘Wicked Little Critta’, ‘I Am Not Your Broom’, ‘With the Dark’, ‘The Cap’m’, oder auch ‘Kiss Me, Son Of God’. Aber das wäre nur eine spontane Antwort…

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