Album-RezensionMusik

Foetus – Hide

J.G. Thirlwell alias Foetus alias Scraping Foetus Off The wheel alias Foetus Art Terrorism alias You’ve Got Foetus On Your Breath alias Foetus Uber Frisco alias Foetus Interruptus alias Foetus Corruptus und so weiter und so weiter… …existiert in seiner musikalischen Existenz mittlerweile seit Anfang der 80er und und ist aus dem experimentellen Industrial-Brachial Sound genauso wenig wegzudenken, wie die frühen Einstürzende Neubauten. In seiner langen Karriere kreierte der gebürtige Australier neben den bekannteren lauten und provokativen Werken mit seinen Seitenprojekten Steroid Maximus und Manorexia auch leisere und verschachtelte Stücke, die allerdings sehr schwer zugängig sind. Sehr begehrt ist J.G. Thirlwell schon seit Jahren auch als Produzent und Remixer und schreibt auch Soundtracks, wie etwa für die Venture Bros., einer Serie von Adult Swim.

Ein Mann, vier Buchstaben, ein Album. Dafür steht Thirlwell mit seinem Hauptprojekt seit beinahe 30 Jahren. Die Foetus-Konzeptalben der letzten zehn Jahre ‚Flow‘, ‚Love‘, sowie deren Remixsilberlinge ‚Blow‘ und ‚Vein‘ waren weniger brachial als die klassischen Werke des mittlerweile 50jährigen, sondern trieben irgendwo zwischen Psychedelic, Rock und Ambient. Selbst für mich als hartgesottenen Fan seit den Anfangstagen blieben viele der Tracks obskur und unklar, zu groß die musikalische Nähe an Monorexia, ein Projekt Thirlwells, für das ich mich nie begeistern konnte. Als er dann 2007 ‚Damp‘ auf den Markt warf, eine Compilation von bisher unveröffentlichten und raren Material, sowie Anfang 2010 mit der ‚Limb‘ CD und DVD Stücke aus der Vor-Foetuszeit, eine Sammlung von sehr minimalistischen und experimentellen Tracks feilbot, war für mich eigentlich klar, das das Thema damit abgeschlossen sei.
Aber weit gefehlt. ‚Hide‘ hätte auch ‚Back‘ getitelt werden können, denn der Meister ist zurück!
Jim Foetus beschert uns ein Werk voller Dynamik, Dramatik und Herzblut. Eine orchestrale und chorale Achterbahnfahrt durch den verqueren Kopf eines Solo-Genies. Wobei sich der Australier diesmal einige musikalische Mitstreiter ins Boot holte. Allen voran ist zu erwähnen ist hierbei die Opernsängerin Abby Fischer, die den Opener ‚Cosmetics‘ wuchtig in den Gehörgang drückt. Das beinahe neunminütige Stück verbreitet durch geschickte Übergänge und gekonnte Instrumentalisierung eine Dramatik, die einen im Sessel erstarren läßt. Fischer kehrt später auf dem Album noch zweimal zurück , zum einen bei ‚Fortudine Vincemus‘, und ebenso auf dem hoffnungslos düsteren Endzeitstück ‚Oilfields‘ zurück, das orchestral gänsehauterzeugend bedrohlich wie ein Lavastrom dem Hörer langsam entgegenfließt.
Außerdem auf ‚Hide‘ dabei sind Steven Bernstein, der Foetus einmal mehr mit seiner Trompete unterstützt, sowie Leyna Marika Papach, die auch bei Manorexia mitwirkt, an der Violine, um nur zwei der weiteren vier Mitmusiker zu nennen.
Thirlwell schafft es mit diesem Album wieder, was ihn in den 80ern so bekannt gemacht hat, er schwankt zwischen Leiden und Wut, er flüstert und heult, er ist stimmlich wie musikalisch so intensiv wie lange nicht mehr. Die selbstzerstörerische und brachiale Art von Klassikern wie ‚Nail‘ oder ‚Hole‘ gibt es auf den modernen Fotus-Alben nicht mehr, Thirlwell kompensiert seine Wut durch gezielte Kompositionen, eine Kunst, die er sich auch durch Zusammenarbeiten mit Orchestern und seiner Arbeit als Soundtracktüftler für die Venture Bros. Erworben haben dürfte. ‚Paper Slippers‘ ist so ein typisches Stück, das eine beinahe süße Melodie direkt auf einen zerstörerischen Höhepunkt zutreiben läßt und dabei zugleich kraftvoll und zerbrechlich wirken lässt.
Wer ‚Time Marches On‘ vom Album ‚Love‘ zurecht liebte, findet in ‚Stood Up‘ eine Art Sequel. Pschedelisch wabernd geht es mit ‚Here Comes The Rain‘ weiter, während mich das nur gute 2minütige Instrumental ‚Concrete‘ an die frühen Soundexperimente der Neubauten erinnert.
Mit ‚The Ballad of Sisyphus T. Jones‘ indes findet sich das sonderbarste Stück auf der Scheibe, welches man am Besten als epischen symphonischen Soundtrack zu einem Spaghettiwestern beschreiben kann, und mich jedesmal zum Lächeln bringt. Was wollte uns der Meister wohl damit sagen? Es gibt nichts vergleichbares im Foetus-Backcatalogue.
Tiefster düsterer Psychorock beherrscht dann mit ‚You’re Trying To Break Me‘ die Szenerie bevor uns der Meister dann doch noch mit einem positiv anmutenden und melodischen ‚O Putrid Sun‘, das von Klavier und Synthies getragen wird in die vielleicht doch nicht ganz so dunkle Welt entlässt.
Und wie beschreibt Thirlwell selbst diese Album?
„neo-symphonic avant-psychedelic concept album informed by the culture of fear“
Hm, das trifft es wohl ganz gut…
Jim Foetus beschert uns ein Werk
voller Dynamik, Dramatik und Herzblut.
Eine orchestrale und chorale Achterbahnfahrt
durch den verqueren Kopf eines Genies
‚Hide‘ gehört unter die Top 5 der Foetus-Werke, benötigt aber aufgrund der Menge an musikalischen Infos Zeit um sich wirklich zu entfalten.

Tracks:
01 – Cosmetics
02 – Paper Slippers
03 – Stood Up
04 – Here Comes The Rain
05 – Oilfields
06 – Concrete
07 – The Ballad Of Sisyphus T. Jones
08 – Fortitudine Vincemus
09 – You’re Trying To Break Me
10 – O Putrid Sun (For Yuko)

http://www.foetus.org
http://www.discogs.com/Foetus-Hide/release/2494447

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